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ACTA: Antworten zur Position der offiziellen Schweiz

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Heute Samstag finden weltweit Protestkundgebungen gegen das geplante plurilaterale Anti-Counterfeiting Trade Agreement, kurz ACTA, statt (Abkommenstext als PDF: Rechtsverbindliche englischsprachige Fassung, Übersetzung auf Deutsch). ACTA ist umstritten – so umstritten, dass beispielsweise der EU-eigene Berichterstatter das Abkommen scharf kritisierte, die slowenische Vertreterin ihre Unterschrift unter das Abkommen öffentlich bedauerte und zahlreiche Staaten das Abkommen vorerst nicht unterzeichnen oder, falls bereits unterzeichnet, vorläufig nicht ratifizieren.

Wieso ist ACTA umstritten?

Wieso ACTA derart umstritten ist, erklären unter anderem die Piratenpartei, die Digitale Gesellschaft, das deutsche «Grün Digital»-Weblog und die gesamteuropäische Organisation «European Digital Rights» (EDRI, PDF). Das Magazin «The Atlantic» zieht einen Vergleich mit dem ebenfalls umstrittenen amerikanischen Stop Online Piracy Act (SOPA) und der deutsche Professor Axel Metzger möchte gemeinsam mit anderen Rechtsprofessoren ACTA verhindern (PDF).

Wie aber positioniert sich momentan die offizielle Schweiz?

Position der offiziellen Schweiz zu ACTA

Die Schweiz war an den ACTA-Verhandlungen beteiligt, unterzeichnete am 1. Oktober 2011 das Abkommen allerdings noch nicht. Sie bestätigte anlässlich dieser Unterzeichnungszeremonie aber ihre volle Unterstützung für ACTA und versicherte, die Unterzeichnung so bald wie möglich vorzunehmen (PDF). Aufgrund dieser Schweizer Beteiligung an ACTA findet heute Nachmittag auch in Zürich eine Kundgebung gegen ACTA statt (Treffpunkt um 13 Uhr auf dem Helvetiaplatz, Kundgebung bewilligt).

In der Schweiz ist das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) für ACTA zuständig und dort wiederum Mathias Schaeli als Leiter «Internationale Handelsbeziehungen». Vor zwei Wochen veröffentlichte die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) verschiedene Aussagen von Herrn Schaeli zu ACTA, unter anderem zur möglichen Unterzeichnung durch die Schweiz noch in diesem Jahr. Im Nachgang dazu richtete ich vier Fragen an das IGE, die mir freundlicherweise von Herrn Schaeli umfassend beantwortet wurden:

Fahrplan bezüglich ACTA-Unterzeichnung und -Ratifizierung

Einleitend fragte ich, wie aus Sicht des IGE der weitere Fahrplan bezüglich ACTA in der Schweiz aussehe, insbesondere in Bezug auf Unterzeichnung und Ratifizierung:

«Bei internationalen Abkommen wie ACTA erfolgt nach dem Abschluss der Verhandlungen als nächster Schritt die Unterzeichnung, welche jeweils vom Bundesrat zu beschliessen ist. Das Abkommen ist anschliessend zur Genehmigung dem Parlament vorzulegen. Die verwaltungsinternen Arbeiten für diese Verfahrensschritte laufen derzeit, einen fixen Zeitplan hierfür gibt es nicht. ACTA steht den Verhandlungsparteien zur Unterzeichnung bis 1. Mai 2013 offen. Auch ist ein Vernehmlassungsverfahren geplant, bevor das Abkommen dem Parlament vorgelegt wird. Dies mit dem Zweck, interessierten Kreisen Gelegenheit zur Stellungnahme zum vorgeschlagenen Abkommen zu geben. Ein solches Verfahren würde dieses Jahr durchgeführt, zeitlich aber wohl erst gegen Sommer oder im 2. Semester des Kalenderjahres.»

Die angekündigte Vernehmlassung zu ACTA ist begrüssenswert. Allerdings können sich die Vernehmlassungsantworten faktisch nur auf Ablehnung oder Befürwortung von ACTA beziehen, da einseitige nachträgliche Änderungen am Abkommen durch die Schweiz ausgeschlossen sind.

Fakultatives Referendum über ACTA

Anschliessend fragte ich, ob das IGE davon ausgeht, dass ACTA dem faktultativen Referendum unterliege:

«Grundsätzlich unterliegen internationale Abkommen, die vom Parlament zu genehmigen sind, auch dem fakultativen Referendum.»

In diesem Fall könnten 50’000 Schweizer Stimmbürger mit ihren Unterschriften erzwingen, dass eine Volksabstimmung über die Ratifizierung von ACTA durch die Schweiz abgehalten wird (Art. 141 Abs. 1 BV). Daneben verfügt das schweizerische Parlament unabhängig davon über die Möglichkeit, ACTA dem Referendum zu unterstellen.

Die Piratenpartei Schweiz hat – gemeinsam mit anderen Parteien und Politikern – bereits erfolgreich mit über 70’000 gesammelten Unterschriften das Referendum gegen die Wiedereinführung der Buchpreisbindung ergriffen. Mit geeigneten Partnern wäre vermutlich auch ein Referendum gegen ACTA denkbar. In jedem Fall würde damit die Position der Schweiz zu ACTA durch einen direktdemokratischen Entscheid legitimiert.

Mehrwert von ACTA für die Schweiz

Meine nächste Frage bezog sich auf die Notwendigkeit von ACTA für die Schweiz, obwohl das IGE selbst betone, dass dadurch keine Schweizer Gesetze betroffen seien. Herr Schaeli beantwortete diese Frage leicht abgewandelt dahingehend, inwiefern ACTA für die Schweiz einen Mehrwert bedeuten könne, obwohl gar keine Schweizer Gesetze geändert werden müssten und nahm ausserdem ausdrücklich Bezug auf die – seiner Meinung nach falsche – Bezeichnung von ATCA als «Internet-Abkommen»:

Umfassender Geltungsbereich von ACTA

«Der im ACTA- und der Schweizer Gesetzgebung vorgesehene Schutz und dortige Massnahmen gegen die grossangelegte, kommerziell organisierte Fälschung und Piraterie gehen über die bisherigen internationalen Mindeststandards hinaus (aber eben nicht über die Schweizer Gesetzgebung).

Zudem sind die Bestimmungen zu Schutzstandards und -massnahmen gegen Fälschung und Piraterie ja nur ein Teil von ACTA. Das Abkommen sieht daneben insbesondere auch eine bessere Koordination, den vermehrten Informationsaustausch und allgemein die engere Zusammenarbeit unter den ACTA-Mitgliedstaaten vor bei ihren Anstrengungen solche Fälschungs- und Piraterieaktivitäten zu bekämpfen. Da diese Aktivitäten heute grenzüberschreitend, ja global organisiert sind, ist auch nur bei Koordination und Zusammenarbeit unter den Staaten ein effektives Vorgehen gegen solche kriminellen Aktivitäten möglich.»

Volkswirtschaftliche Bedeutung von ACTA

«Fälschung und Piraterie haben über die letzten Jahre dramatisch zugenommen. Auch das global organisierte Verbrechen benutzt heute den Markt für gefälschte Produkte und Pirateriewaren als Geldquelle. Fälschung und Piraterie betreffen heute längst nicht mehr nur die Luxusgüterindustrie, sondern auch Artikel des täglichen Gebrauchs, vom Instant Coffee über Rasierklingen, Zahnpasta und Ersatzteile für Maschinen, Autos und Flugzeuge. Diese Produkte stellen eine Gefahr für den Konsumenten dar. [G]rossangelegte Fälschung und Piraterie [bedeuten] aber auch einen beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden und stellt zum Beispiel für die auf Innovation und Export ausgerichtete Schweizer Volkswirtschaft eine Gefahr dar. Gefälschte Produkte und Piraterie verletzten Rechte. Ein Rechtsstaat muss national dafür sorgen, damit [sic!] Rechtsdurchsetzung erfolgreich möglich ist, Rechtsverletzungen also effizient geahndet werden können. Wenn er sich für dieses Ziel auch international einsetzt, so ist das konsequent.»

Keine Internet-spezifischen Änderungen durch ACTA

«Von gewissen Kreisen wird ACTA fälschlicherweise als ‹Internet-Abkommen› bezeichnet. Von den 45 Bestimmungen des Abkommens über Fälschung und Piraterie befasst sich nur gerade eine einzige Bestimmung, nämlich Art. 27, explizit mit dem Aspekt der Fälschung und Piraterie im digitalen Bereich. Auch Art. 27 fokussiert also nicht auf das Internet, sondern geht es dabei auch um das illegale Kopieren von CDs, Software, Filmen usw. Weiter wichtig (weil auch immer wieder fälschlicherweise als Vorwurf erhoben): ACTA sieht KEINE Verpflichtung der ISPs zu einem Monitoring von Internetinhalten vor. Auch ist keine Verpflichtung vorgesehen, Internetanschlüsse zu sperren, wenn ein User urheberrechtsverletzenden Inhalt herunterlädt (bewusst oder unbewusst). Von der Einführung einer Zensur durch ACTA kann deshalb keine Rede sein. Art. 27 hält hingegen den Grundsatz fest, dass die Rechtsdurchsetzungsmassnahmen gegen Fälschung und Piraterie auch im digitalen Bereich Anwendung finden sollen. Wie gesagt ändert sich damit und mit ACTA gegenüber der heutigen Schweizer Gesetzgebung aber nichts, respektive wird das schon so vorgesehen. Somit bleibt auch der private Download, auch von geschützten Inhalten, in der Schweiz zulässig.

Rechtsdurchsetzungs­massnahmen sind wichtig und richtig. Sie sollen aber nicht über das Ziel hinausschiessen. ACTA hält das explizit und mehrmals im Abkommen fest und verpflichtet die Mitglieder, diese Balance und den Interessenausgleich, sowie die Prinzipien der freien Meinungsäusserung/Zugang zu Information, die Achtung der Privatsphäre und den Datenschutz zu gewährleisten (siehe dazu zum Beisiel Absatz 6 der Präambel, Art. 4.1.(a), Art. 6.2. und 3 und in Art. 27.2 des ACTA-Texts).»

Keine verstärkten Informationsbemühungen zu ACTA

Abschliessend wies ich auf die schwierige Informationslage hin und erkundigte mich nach etwaigen Plänen des IGE, seine Informationsbemühungen bezüglich ACTA zu verstärken. Leider liess sich Herr Schaeli dazu keine weiteren Auskünfte entlocken. Er erwähnte stattdessen die IGE-Webseiten zu «Fälschung und Piraterie» im Allgemeinen als auch die ACTA-spezifische Seiten auf der IGE-Website. Im Übrigen plant das IGE den ACTA-Text nach Englisch und Französisch auf Deutsch zu veröffentlichen, wobei man heute bereits eine deutsche Übersetzung auf der Website der Europäischen Kommission findet (PDF).

Herrn Schaeli danke ich an dieser Stelle bestens für seine freundliche Bereitschaft, meine Fragen an das IGE zu beantworten.

Foto: Office of the United States Trade Representative.


JUSO-Aufruf zum Wahlbetrug: Gefängnis für David Roth?

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David Roth, Präsident der Jungsozialisten Schweiz (JUSO), rief vor ein paar Tagen auf seinem Facebook-Profil dazu auf, eine Unterschriftensammlung der Schweizerischen Volkspartei (SVP) zu manipulieren – wieder einmal:

Screenshot: Ausschnitt aus dem Facebook-Profil von David Roth

Bei Twitter wurde ich gefragt [Hinweis: Weblink entfernt, da leider nicht mehr gültig], ob eine Strafanzeige angebracht beziehungsweise ob ein solcher Aufruf strafbar sei. Muss David Roth eine Freiheitsstrafe befürchten?

Wahlbetrug bei Unterschriftensammlungen

Das Schweizerische Strafgesetzbuch kennt den Straftatbestand der Wahlfälschung (Art. 282 Ziff. 1 Abs. 3 u. 4 StGB, so genannter Wahlbetrug):

«[W]er das Ergebnis einer […] Unterschriftensammlung zur Ausübung des Referendums oder der Initiative fälscht, insbesondere durch Hinzufügen, Ändern, Weglassen oder Streichen von […] Unterschriften […], wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.»

Bei Unterschriftensammlungen manifestiert sich der Wahlbetrug dadurch, dass die amtlich ermittelte Unterschriftenzahl nicht der tatsächlichen Unterschriftenzahl entspricht. Es genügt dabei, wenn die Differenz aus einer einzigen Unterschrift besteht. Nicht notwendig ist, dass die wahlbetrügerischen Manipulationen Auswirkungen auf den Erfolg einer Unterschriftensammlung haben.

Anstiftung zum Wahlbetrug

David Roth fälschte das Ergebnis der SVP-Unterschriftensammlung nicht selbst, sondern versuchte, andere dazu anzustifen. Versuchte Anstiftung ist gemäss Art. 24 Abs. 2 StGB grundsätzlich strafbar:

«Wer jemanden zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Verbrechens bestraft.»

Verbrechen sind gemäss Art. 10 Abs. 2 StGB «Taten, die mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind». Wahlbetrug wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft und ist deshalb kein Verbrechen, sondern ein Vergehen. Die versuchte Anstiftung zum Wahlbetrug ist deshalb in der Schweiz nicht strafbar.

Strafbar ist hingegen die vorsätzliche Anstiftung zu einem Verbrechen oder Vergehen, das heisst ein Täter verwirklicht den entsprechenden Straftatbestand aufgrund der Anstiftung. Damit diese Strafbarkeit für David Roth gegeben wäre, müsste sein Aufruf nachweislich dazu führen, dass jemand Unterschriftenlisten der SVP fälscht – und dabei erwischt werden … dafür gibt es bislang keine Anhaltspunkte.

Fazit

Aus politischer Sicht sind die wiederholten Versuche der JUSO, die direktdemokratischen Mittel des politischen Gegners zu sabotieren, äusserst bedauerlich. Sie gefährden damit die Legitimation der direkten Demokratie in der Schweiz.

Rechtlich gesehen hingegen entspricht der Aufruf von David Roth bislang einer versuchten Anstiftung zum Wahlbetrug und ist damit nicht strafbar, so dass vorläufig keine Strafanzeige angebracht ist und David Roth nicht befürchten muss, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt zu werden. Angebracht sein könnte eine Strafanzeige, wenn tatsächlich Fälle von Wahlbetrug aufgrund des Aufrufs von David Roth zu verzeichnen wären – da Wahlbetrug ein Offizialdelikt darstellt, müssten die Strafverfolgungsbehörden von sich aus tätig werden.

Identitätsdiebstahl beim Professor: Ausschluss von Universität nach studentischem E-Mail-Spoofing

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Foto: Herzchen «E-Mail Me» auf dreckiger Tastatur

Das Fälschen einer E-Mail führte zum berechtigten Ausschluss eines Studenten an der Universität Lausanne, wie das Schweizerische Bundesgericht entschieden hat (BGer 2C_918/2014 vom 20. Januar 2015). Der Student, im Urteil als X. anonymisiert, hatte versucht, Credit Points für eine Seminararbeit zu Stücken von William Shakespeare zu erhalten. Dafür gab sich der Student in einer E-Mail an Fakultätssekretär C. als Professor A. aus, was aber aufflog …

Aufgrund der verwendeten IP-Adresse und mittels eigenen Logdateien konnte die Universität Lausanne ermitteln, dass der Student für das E-Mail-Spoofing einen kostenlosen Instant-Mailer in Tschechien (Screenshot) verwendet hatte:

«A la demande du Décanat de la Faculté des lettres, le Centre informatique de l’Université a procédé à des investigations en vue d’élucider l’affaire et de déterminer s’il y avait eu tentative de fraude. Ce centre a découvert que le courriel incriminé provenait d’une adresse IP tchèque, rattachée au site internet ‹http://emkei.cz›, soit l’un des services les plus populaires pour l’envoi de faux courriels. Ce service permettait de réaliser très facilement des opérations de ‹spoofing› (envoyer des e-mails en faisant croire qu’ils proviennent d’un autre expéditeur que celui qui l’envoie réellement). En examinant les ‹logs› de X.________, le Centre informatique a notamment relevé plusieurs traces d’utilisation du service précité, révélant que juste avant l’envoi litigieux à C.________ le 27 janvier 2014 à 18h09, deux autres courriels avaient été envoyés avec l’adresse du professeur A.________ à X.________. Quant à l’examen de l’ordinateur du professeur A.________, il ne comportait aucune trace d’un quelconque courriel adressé à C.________ en date du 27 janvier 2014. Par la suite, le Centre informatique a procédé à des investigations complémentaires qui ont confirmé les premières.»

Im Verfahren vor Bundesgericht war nicht mehr strittig, dass der Student die E-Mail gefälscht hatte. Alle Rügen – beispielsweise, er habe «bloss» akademisch betrogen, halfen dem Studenten nicht, denn das Bundesgericht qualifizierte das E-Mail-Spoofing und den daraus resultierenden Identitätsdiebstahl als äusserst schwerwiegend:

«L’usurpation d’une adresse électronique est un acte extrêmement grave. Il l’est d’autant plus lorsqu’elle est opérée dans le but de se procurer un avantage, soit en l’espèce l’obtention d’une attestation afin de valider les crédits relatifs à un cours. Il importe peu que, comme le souligne le recourant, qu’il n’ait pas ‹triché sur le plan académique›; on ne peut pas non plus retenir l’argument selon lequel son comportement devrait être examiné sous ‹l’angle du fonctionnement de l’appareil administratif de l’Université›, comme si une fraude administrative était plus honorable qu’une fraude académique. Savoir lequel de l’usurpation d’identité ou du plagiat est l’acte le plus grave revient à devoir poser un jugement de valeur forcément subjectif et dénué de pertinence en l’espèce. En effet, ces deux actes sont du même acabit dénotant tous deux une absence totale de probité intellectuelle. […]»

Im Ergebnis war der Ausschluss von der Universität Lausanne nicht unverhältnismässig. Durch den Ausschluss konnte der Student sein Bachelor-Studium nicht abschliessen und muss allein durch das Bundesgerichtsurteil 2’000 Franken Gerichtskosten sowie seine Anwaltskosten tragen.

Foto: Flickr/«r reeves», CC BY 2.0 (generisch)-Lizenz.

Warnung: Gefälschte Filesharing-Abmahnungen im Namen von Schutt, Waetke Rechtsanwälte

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Seit Mitte März 2017 werden E-Mail-Massenabmahnungen scheinbar im Namen der Anwaltskollegen von Schutt, Waetke Rechtsanwälte im Auftrage von Adobe versendet. Die Abmahnungen aus Deutschland stammen aber nicht von den erwähnten Anwaltskollegen, sondern dienen der Verbreitung von Schadsoftware:

Die E-Mails mit abmahnung@schutt-waetke.de als Absender enthalten den Text der angeblichen Abmahnung als Bild. Der Text umfasst auch einen Button «Dokument abrufen». Wenn man auf den Button oder überhaupt auf das Bild klickt, wird versucht, den verwendeten Computer mit einem Trojaner zu infizieren. Bild und Button sollten deshalb auf keinen Fall angeklickt werden!

Dokument: Gefälschte Abmahnung von Schutt, Waetke Rechtsanwälte

Schutt, Waetke Rechtsanwälte weisen inzwischen auf ihrer Website auf die gefälschten Abmahnungen hin. Sie betonen unter anderem, keine Abmahnungen zu versenden, bei denen zwei Rechtsanwälte der Kanzlei und mit «kindhaften» Unterschriften unterzeichnen. Sie erklären ausserdem, man versende keine Abmahnungen nur per E-Mail und man fordere Abgemahnte auch nicht auf, einen Button anzuklicken.

Auch schon betroffen: SKW Schwarz und Waldorf Frommer

Die Anwaltskollegen sind nicht die ersten deutschen Abmahnanwälte, die Opfer von gefälschten Abmahnungen werden. Kürzlich waren auch die Anwaltskollegen von SKW Schwarz und Waldorf Frommer betroffen. Die Masche funktioniert unter anderem deshalb, weil auch bei echten Abmahnungen die Zustellung zumindest vorab in vielen Fällen per E-Mail erfolgt und dabei Fristen gesetzt werden, die den rechtzeitigen Erhalt der schriftlichen Abmahnung per Briefpost häufig gar nicht erlauben.

Aus schweizerischer Sicht sind die gefälschten Abmahnungen auffällig, weil sie sich auf Filesharing mit der ausländischen IP-Adresse 217.13.28.193 beziehen. Wer in der Schweiz wohnt, kann zwar tatsächlich für Filesharing im Ausland abgemahnt werden, aber in diesen Fällen können sich die Abgemahnten normalerweise an die entsprechende Internet-Nutzung – häufig in den Ferien – erinnern.

Bei verdächtigen Abmahnungen sollte man im Zweifelsfall eigene Abklärungen zur Echtheit tätigen oder sich von einer Fachperson unterstützen lassen. Zum Leidwesen von Abgemahnten in der Schweiz erweisen sich allerdings die meisten Abmahnungen als echt und sollten im eigenen Interesse ernst genommen werden.

Bild: Pixabay / Gaertringen, Public Domain.

Warnung: Gefälschte Filesharing-Abmahnungen von Dr. Thomas Stephan

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Filesharing-Abmahnungen sind in Deutschland ein grosses Geschäft, auch wenn Filesharing immer mehr durch Streaming abgelöst wird.

Auch Betrüger haben dieses Geschäft entdeckt. Sie missbrauchen die Namen von deutschen Anwaltskollegen für gefälschte Abmahnungen. Anfang 2017 waren beispielsweise die Anwaltskollegen von Schutt, Waetke Rechtsanwälte betroffen.

Inzwischen gehen Abmahnbetrüger noch weiter und fälschen gleich ganze Anwaltskanzleien:

E-Mail: Gefälschte Filesharing-Abmahnung

In einem aktuellen Fall geben sich die Betrüger als Anwaltskanzlei «Dr. Thomas Stephan» in Bonn aus und verschicken Filesharing-Abmahnungen per E-Mail.

Die Betrüger haben eine Website unter dem Domainnamen stephanlaw.de aufgeschaltet, die auf den ersten Blick authentisch wirkt. Stellenangebote, ein einführendes Video, gehostet bei YouTube, und viele weitere inhaltliche Seiten sollen die Glaubwürdigkeit der Website erhöhen.

Auch die E-Mail-Abmahnungen, die unter der E-Mail-Adresse office@stephanlaw.de versendet werden, wecken auf den ersten Blick keinen Verdacht. Abgemahnt wird die Nutzung der berühmt-berüchtigten Streaming-Plattform kinox.to.

Die Betrüger belassen es nicht bei E-Mails, sondern rufen die Abgemahnten – auch in der Schweiz – teilweise sogar an. Am Telefon drohnen sie mit Inkassomassnahmen. Die Überweisung soll auf eine Bankverbindung in Grossbritannien erfolgen. Der Betrag ist so gewählt, dass ihn die meisten Abgemahnten bezahlen könnten.

Es zeigt sich aber schnell, dass für das Profil von «Dr. Thomas Stephan» ein Bild des (vermutlich echten) Anwaltskollegen Enrico Komning missbraucht wird. Beim Domainnamen stephanlaw.de fällt auf, dass dieser auf eine Frau «Silvia Niemann» mit einer russischen E-Mail-Adresse lautet. Auch ist der angebliche Anwaltskollege nicht im deutschen Anwaltsverzeichnis zu finden. Und ruft man die verlinkte Seite zur «Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung» auf, wird unter anderem die aktuelle eigene IP-Adresse angezeigt …

Empfehlungen

Solche gefälschten Abmahnungen sollten ignoriert werden. Verdächtige Abmahnungen sollte man im Zweifelsfall auf ihre Echtheit prüfen und sich dabei allenfalls von einer Fachperson unterstützen lassen.

Die betrügerischen Absender nützen aus, dass Filesharing-Abmahnungen weit verbreitet sind. Ausserdem lassen sich viele Empfängerinnen und Empfänger von solchen Abmahnungen einschüchtern und leisten deshalb die geforderten Zahlungen.

Filesharing-Abmahnungen gibt es in der Schweiz seit einigen Jahren faktisch nicht mehr, weil sie den Datenschutz verletzten. Solche Abmahnungen sollen aber mit dem «modernisierten» Urheberrechtsgesetz in Zukunft wieder möglich sein. Sollte es erneut zu Massenabmahnungen in der Schweiz kommen, würden auch die Abmahnbetrüger davon profitieren.

Bild: Pixabay / robinsonk26, Public Domain.


Nachtrag: Gefälschte Abmahnungen von weiteren «Rechtsanwälten»

Gefälschte Abmahnungen der gleichen Art werden unter weiteren Namen versendet, zum Beispiel von «Anwaltskollege» Henner Zühlke und «Kertas Rechtsanwälte».

Warnung: Gefälschte Streaming-Abmahnungen von 20th Century Fox Film

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In der Schweiz kursieren wieder einmal gefälschte Abmahnungen. Die Betrüger missbrauchen die Identität von Anwaltskollege Sebastian Dramburg in Berlin und geben vor, Urheberrechtsverletzungen durch Streaming via kinox.to abzumahnen.

Der Gesamtbetrag der Abmahnung beträgt EUR 324.35 (EUR 200.00 Schadenersatz und EUR 125.35 «Rechtsanwaltskosten») und soll innerhalb von fünf Tagen bezahlt werden.

Mit der kurzen Zahlungsfrist und dem vergleichsweise tiefen – aber falsch addierten! – Betrag schaffen die Betrüger einen Anreiz, dass viele Opfer dieser gefälschten Abmahnung tatsächlich bezahlen.

Ich empfehle, solche Abmahnungen zu ignorieren sowie allenfalls an das Bundesamt für Polizei (fedpol) zu melden.

Identitätsdiebstahl mit Spuren nach Russland

E-Mail: Gefälschte Streaming-Abmahnung

Der E-Mail-Versand erfolgt über UniSender, einen E-Mail-Versand-Dienst in Russland und in der Ukraine via den Domainnamen emlstart.com. Die Abmahnung bietet entsprechend eine «Unsubscribe»-Möglichkeit, was für eine echte Abmahnung ungewöhnlich wäre.

Der verwendete Domainname it-anwaltskanzlei.eu gehört angeblich einer Person namens «Anna Mertin» in Sidney in Australien (Screenshot). Der Domainname wurde erst am 26. Februar 2018 registriert.

Der E-Mail-Server für die verwendete E-Mail-Adresse kontakt@it-anwaltskanzlei.eu zeigt auf Mailserver beim russischen Hoster REG.RU. Unter dem Domainnamen it-anwaltskanzlei.eu läuft tatsächlich eine Website, die ebenfalls bei REG.RU gehostet wird. Dafür wurde die Website des echten Rechtsanwaltes Dramburg dreist kopiert (Original, Kopie).

Die verwendete Kontonummer (IBAN) GB23HBUK40030331694405 führt zur HSBC Bank in London. Ich gehe davon aus, dass allfällige Zahlungen von Opfern nicht lange auf diesem Konto verbleiben werden. Vermutlich wurde das Bankkonto mit einer gestohlenen Identität oder durch einen Strohmann eröffnet.

Anwaltskollege Dramburg versucht, gegen die gefälschte «IT-Anwaltskanzlei» vorzugehen und warnt vor den Abmahnungen (Screenshot).

Verdächtigte Abmahnungen: Wie reagieren?

Nicht jede verdächtige Abmahnung aus Deutschland ist gefälscht. Die Abmahnindustrie in Deutschland und anderswo boomt.

Urheberrechtsverletzung im Internet?

Wir helfen Ihnen!

Gefälschte Abmahnungen erkennt man häufig daran, dass Sie allgemein und unpersönlich gehalten sind. Ausserdem werden echte Abmahnungen üblicherweise – wenn überhaupt – nur vorab per E-Mail versendet und in diesem Fall per Briefpost nachgereicht. Wenn man eine Abmahnung erhält und sich das abgemahnte Verhalten nicht erklären kann, ist besondere Vorsicht geboten.

Im Zweifelsfall sollte man eigene Abklärungen zur Echtheit tätigen oder sich von einer Fachperson unterstützen lassen. Leider führt die grosse Zahl von Abmahnungen aus Deutschland dazu, dass immer wieder Betrüger als Trittbrettfahrer auftreten.

Siehe auch: Gefälschte Filesharing-Abmahnungen im Namen von Schutt, Waetke Rechtsanwälte sowie Gefälschte Filesharing-Abmahnungen von Dr. Thomas Stephan (und weiteren Rechtsanwälten).

Bild: Pixabay / robinsonk26, Public Domain.

Warnung: Gefälschte Streaming-Abmahnungen von BERLIN ANWALT AG

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Weiterhin sind gefälschte Abmahnungen mit Verweis auf 20th Century Fox Film und kinox.to im Umlauf. Die Abmahnungen erfolgen per E-Mail und stammen momentan von einer «BERLINER ANWALT AG».

Als Absender wird «Dr. Rene De La Porte», angeblich «Rechtsanwalt, Dipl.-Jur.», mit einer Adresse in Cardiff in Grossbritannien («United Kingdom») genannt. Als Rechtsgrundlage wird insbesondere das EuGH-Urteil C-527/15 bezüglich Streaming aufgeführt.

Mit einer solchen «Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung!», die mir vorliegt, werden «Schadenersatz» von EUR 181.20 und «Rechtsanwaltskosten» von EUR 145.35 gefordert. Der Gesamtbetrag beläuft sich auf EUR 326.55. Der Betrag soll, so die Abmahnung, innert fünf Tagen und zuzüglich Mehrwertsteuer bezahlt werden.

Kontaktadressen und Website

Die Betrüger betreiben unter dem Domainnamen @anwalt-ag.eu eine Website und sind sowohl per E-Mail unter info@anwalt-ag.eu als auch telefonisch unter +49 30 2555 98 84 erreichbar. Die Telefonnummer wird ausdrücklich für «eine kostenlose Beratung und weitere Fragen» genannt, jedenfalls von Montag bis Freitag zu Geschäftszeiten von 8.00 bis 17.00 Uhr. Die Bankverbindung lautet auf die HSBC Bank.

Der .eu-Domainname wurde am 29. Juli 2018 registriert und zwar in tschechischer Sprache. Die Betrüger tarnen ihre Website via Cloudflare und missbrauchen einen «WHOIS Privacy»-Dienst. Registrar ist TLD Registrar Solutions in Grossbritannien. Der Inhalt der Website scheint bei Palmer Biggs IP gestohlen worden zu sein.

Richtiges Verhalten bei Abmahnbetrug

Bei gefälschten Abmahnungen ist folgendes Verhalten empfehlenswert:

  • Abmahnung allenfalls an das Bundesamt für Polizei melden
  • keinen Kontakt mit den Betrügern aufnehmen
  • keine Zahlung leisten
  • E-Mail mit Abmahnung als Spam markieren und löschen

Nicht jede verdächtige Abmahnung ist gefälscht. Filesharing-Abmahnungen aus Deutschland gelangen immer wieder in die Schweiz. Im Zweifelsfall sollte man eigene Abklärungen zur Echtheit tätigen oder sich von einer Fachperson unterstützen lassen.

Urheberrechtsverletzung im Internet?

Wir helfen Ihnen!

Siehe auch:


Nachtrag vom 13. August 2018

Eine anonyme Leserin oder ein anonymer Leser hat herausgefunden, dass es die «BERLINER ANWALT AG» als «Private unlimited company without share capital» und mit Sitz in London tatsächlich gab:

«Achtung die Berliner Anwalt AG ist eine Firma die schon lange nicht mehr Exisitert!

https://beta.companieshouse.gov.uk/company/08766207

Hier wurde wohl Copy and Paste mit der Firma sowohl der Website betrieben!!!»

Die Gesellschaft mit dem – für eine britische Gesellschaft irreführenden «AG»-Bestandteil – wurde am 7. November 2013 gegründet und am 6. Mai 2014 bereits wieder aufgelöst. Die Gesellschaft verfügte über keinerlei Kapital. Beteiligt waren ein Peter Paul Adam, eine Kim Henke und ein Günther Hube (eigentlich Günther Huber?).

Bild: Pixabay / ndemello, Public Domain.